Philosophie des Gartens | Dr. Gerhard Graulich (Textauszug)

Der Begriff des Gartens war immer schon Gegenstand philosophischer, theologischer und pädagogischer Auseinandersetzungen, wobei er oftmals als Bild für ein geglücktes Leben verwendet wurde. Als Metapher, aber auch als konkreter Ort ist der Garten begrifflicher Bestandteil des frühkindlichen Kindergartens, wo der noch junge Mensch erstmals eigene soziale Erfahrungen ausserhalb des Elternhauses macht. In der Installation Kinder-Garten handelt es sich im engeren Sinn um ein Projekt, das sich an Vorschulkinder wendet. Kinder-Garten meint einen Schutzraum, in dem die Kinder – ihrem Alter entsprechend – kreativ sind. Eine Voraussetzung bildet die Kooperation zwischen der Künstlerin Ines Hock und der Schweriner Museumspädagogin Birgit Baumgart, da sich Kunst hier unmittelbar in der Arbeit mit den Kindern als kommunikativ-praktisches Handeln vollzieht.

Der Garten fungiert aber nicht nur als Handlungsraum, sondern auch als gestalteter Ort. In ihm finden sich die farbigen Impressionen der Künstlerin Ines Hock, die sie auf keramische Platten gemalt hat und die im Zusammenspiel mit den Blumen eine Synthese aus Kunst und Natur formulieren. Wie im Pflanzenreich entstehen Analogien und Synästhesien zwischen den unterschiedlichen floralen Elementen und den bildlichen Implementierungen. Der Kinder-Garten ist aufgrund seiner Einbindung in die Natur – wie jeder andere Garten auch – einer ständigen Veränderung und Wandlung unterlegen. Schönheit und Nutzbarkeit hängen jedoch nicht nur ab von dem künstlerischen Entwurf, den Platten, Blumen und Sträuchern, sondern auch von der Pflege. Will man die Proportionen des Gartens aufrechterhalten, so müssen die Wiesen und Bäume geschnitten, Sträucher kupiert und Unkraut gejätet werden. Unter den Zier- und Nutzpflanzen herrscht naturgemäss ein Verdrängungskampf.

Entsprechend den ästhetischen Vorgaben muss die Gartenanlage im Gleichgewicht gehalten werden. Der Kinder-Garten spiegelt gleichsam grundlegende Reflexionen uber das Verhältnis von Menschen und Natur wider. In gewisser Hinsicht kann er sogar als Bild oder Modell für gesellschaftliche Prozesse betrachtet werden, wird doch die kultivierte, gestaltete der wilden Natur gegenübergestellt. Ein zentraler Gesichtspunkt jeglicher Erziehung lässt sich darin sehen, dass der Mensch lernt, Richtiges vom Falschen zu unterscheiden sowie eigene Grenzen zu erkennen und zu akzeptieren.

Das heisst, Verhaltensregeln so zu formulieren, dass ein friedvolles Zusammenleben möglich ist. Dies bedeutet mitunter, wo es an Einsicht mangelt, junge Menschen mehr oder weniger merklich auf den richtigen Weg zu bringen. Kann es aber in einer freien Gesellschaft darum gehen, Menschen in Bahnen zu lenken oder funktional zu verplanen? Wie weit können und dürfen die Lenkung, Beeinflussung, Reglementierung gehen? Dürfen diese unmerklich sein? Insofern ist die Frage zu stellen, gerade vor dem Hintergrund des Kinder-Gartens, wie viel Pädagogik ist notwendig? Wie viel Regelung bedarf es? Wie viel Freiheit ist nötig und möglich?

Um im Bild des Gartens zu bleiben: Sicherlich ist der Beschnitt im Garten wichtig, genauso bedeutsam aber ist es auch, ihn sich selbst zu überlassen, das Ungeplante, Zufällige, das erst auf den zweiten Blick hin Schöne zu akzeptieren. Garten und Biotop müssen sich nicht ausschliesen. Und wirkt nicht gerade ein Garten, der unkontrolliert ausgesäte Pflanzen, Gänseblümchen, natürlichen Baumwuchs integriert, lebendig, einladend - und schon? Dies sollte nicht nur innerhalb des Kunstprojektes Kinder-Garten Geltung haben. Die Erfahrung der Selbstbestimmung, auch das Erleben des Fehlerhaften, Zufälligen, impliziert immer auch neue Möglichkeiten …